Dem Künstler Hermann Werner zum 75. Geburtstag
Samstag, 17. Januar 1959
Es sind schon über 50 Jahre her, dass der kunstbegeisterte Hermann Werner aus Oberschwaben, näher gesagt aus seiner Heimatstadt Biberach wegzog und sich im Dorfe Saubraz im waadtländischen Kannton der Schweiz unweit des Genfersees, der Heimat seiner Mutter, niederliess und dort eine zweite Heimat fand. Die Familie wurde in Biberach stets als «Franzosenwerner» benannt, eben weil die Mutter aus der Welschschweiz stammte.
Gemeinsam mit seinem Bruder gelang es ihm hier einen regelrechten Bauernhof in Gang zu bringen und diesen später mit seiner Frau und seinen Kindern bis auf de Tag gut zu bewirtschaften.
Doch in seinem Herzen blieb Hermann Werner stets der Künstler, der Maler, der die Stuttgarter Kunstakademie besucht und mit Erfolg absolviert hatte, dann auch als Maler in den grossen Zentren des Kunstlebens, in München und Berlin weiterstudierte und als flotter, wandernder Künstler in Florenz die Malweisen der grossen Italiener in sich aufnahm.
Er konnte es daher trotz der schweren Bauernarbeit nie lassen, sich jede freie Minute hinter die Staffelei zu setzen und zu malen, was er sah und erlebte, ganz nach seinem feinen Empfinden: die Blumen, die er auf seinen Wiesen wachsen, oder die er am Waldrande fand, die Früchte seiner Wecker und des Gartens in reizvolle Stilleben zu komponieren.
Dann lockte ihn die Landschaft, die stillen Winkel der Dörfer und kleinen Städte im Waadt und der Umgebung in der französischen Schweiz.
Er weiss aus jedem Stück, das er sieht und malt, das Schöne herauszuschälen. Ein fast südländisches Licht beherrscht diese Landschaftsbilder und leuchtet aus seinen friedlichen Stilleben, durch die man an die Kunst alter Meister erinnert wird. Hermann Werner hat sie mit seinem Werk erreicht, doch in ehrlichem eigenen Schaffen, das aus seinem Inneren geworden ist und sich nicht kümmert um das Raufen um Kunstansichten, die keine sind.
Diesen Künstler interessiert aber auch — was gibt es Höheres — des Menschen Bildnis, und wo könnte er besser solche Charaktergestalten finden, wie gerade im Waadtlande mit seinem kernigen Bauernschlag.
Ganz typisch ist daher das nebenstehende Bild eines alten Bauern vor seinem Hofe. Hermann Werner fühlt sich selbst einer unter ihnen in stiller Beschaulichkeit und Ehrfurcht vor der Schönheit der Natur und in der Verantwortung um sein Lebenswerk.
Hermann Werner blieb aber auch seiner alten Biberacher Heimat treu, denn er hat sie nach dem Kriege und nach der Zeit des Nazispucks wieder mit alter Freude besucht, obwohl ihm in diesen vergangenen Jahren durch eine Ausbürgerung von seiten der Naziregierung bitteres Unrecht geschehen war. Er hatte sich die Zusendung von Nazizeitschriften verbeten. Dies hatte genügt, um ihm das deutsche Heimatrecht zu entziehen.
Nun ist Hermann Werner, der aufrichtige, echte Künstler, schon 75 Jahre alt geworden, aber er ist jung geblieben, jung und frisch durch seine Kunst, von der man wünschen möchte, dass eine Auswahl einmal in seiner Heimatstadt Biberach ausgestellt werden könnte.